Was passiert, wenn man jedem, der es hören will oder auch nicht, erzählt, dass man die Liebe zur CompactCassette wieder entdeckt hat ?

 

Man bekommt etwas geschenkt...

 

beispielsweise 2 Stück dieser wunderschönen Tapedecks.

 

Beide haben allerdings „kleine Probleme“.

 

Tape 1: äußerlich wunderbarer Erhaltungszustand... wir reden schließlich von Geräten die Ende der 70er gekauft wurden. Es zeigt allerdings nach dem Einschalten keinerlei Reaktionen... lediglich die Beleuchtung der VU-Meter (dazu später mehr) und des Cassettenfachs funktioniert. Dieses Deck fungierte beim Vorbesitzer angeblich als „Backup-Gerät"...

 

Tape 2: äußerlich heftig (Raucher) allerdings ohne Kratzer... eben nur diese interessante Mischung aus Nikotin, Staub und sonstigen Zeitzeugen.

 

Nach dem Einschalten tut sich was... auf Tastendruck reagieren die Leuchten der jeweiligen Taste... ebenso das typische Klacken von Hubmagneten, das Laufwerk fährt hoch... vielmehr allerdings nicht. Beleuchtung wie gehabt, funktioniert.

 

Grundsätzliche Überlegungen:

- ServiceManuals über Hifi-Engine besorgen... war kein Problem.

- Zunächst mal ein Gerät zerlegen und eines als Muster vorhalten ;-).

 

Also Deckel auf ...

Da erwartet uns ein anscheinend typischer japanischer Drahtverhau. OK, die haben viel reingepackt in ein recht kleines Gehäuse. Auf dem Bild hab ich auch verschiedene Kabelstränge schon von Kabelbindern befreit... schlimm ist einfach, dass man einige Kabelbäume nicht per Steckverbinder lösen kann. Diese sind oftmals mindestens einseitig per „Wire-Wrap“ an Platinen verankert.

 

Keine guten Voraussetzungen um hinter dem Laufwerk Platz zum Ausbau zu schaffen!

 

Das Laufwerk an sich ist doch deutlich anders aufgebaut als alles was ich bisher auf dem Tisch hatte. Einige „Eigenheiten“ machen den Service nicht leichter.

 

Das Laufwerk ist keine komplette, zusammenhängende Einheit. Der Capstan-Motor ist auf einem Metallwinkel neben dem Laufwerksblock montiert. Das heißt auch... der Capstan-Riemen kann nicht vormontiert mit dem Laufwerk eingesetzt werden. Eine sehr bescheidene Arbeit... zumal die Schrauben zur Fixierung des Capstan-Motors von unten eingedreht werden. Heißt also... Capstan-Motor von oben an die richtige Stelle platzieren, festhalten und entweder das Ganze so aufbauen dass man (vielleicht auch eine zweite Person) von unten Zugang hat oder eben das komplette Tape mit Gefühl hochkippen und dann von unten schrauben. Da muss nun jeder seine bevorzugte Methode finden... besonders durchdacht scheint mir das nicht... aber vielleicht hab ich auch die optimale Lösung noch nicht gefunden bzw. denke eben nicht wie ein Japaner ;-).

 

Ein weiterer Kniff... der Hubmagnet ist ein gigantischer Klotz der, von vorne gesehen, links unten hinter dem Laufwerk sitzt. Diesen kann man wiederum eigentlich nur entspannt ausbauen (und er muss raus sonst wird das mit dem Ausbau des Laufwerks nix) wenn man eine Platine über dem Ringkern-Trafo entfernt, die stehend eingebaute Platine auf der linken Seite ausbaut und den Ringkern-Trafo löst und hochkant stellt. Jeder wird dabei bemerken, dass sich zwar einige der Kabelstränge durch auftrennen der Kabelbinder entspannter verlegen lassen, nicht aber komplett zu entfernen sind... dies gilt auch für die Platinen selbst wenn man keine aufwendigen Lötmanöver durchführen möchte.

 

Das schaut zwar im Bild fürchterlich aus... man legt allerdings irgendwann die Scheu ab und entwickelt ein Gefühl dafür die ganzen „Sachen“ immer so aus dem Weg zu räumen dass die jeweils anstehenden Arbeiten gut zu erledigen sind.

 

Auf den ersten Blick ein „Bombenkrater“... auf den zweiten Blick die perfekte Aiwa-Arbeitsumgebung.

 

Gut zu sehen... liegend im leergeräumten Laufwerksschacht der Hubmagnet, oben das Laufwerk und danebenliegend der separate Capstan-Motor.

 

Antriebsriemen wurden bei Thakker bestellt.  Machen einen guten Eindruck, sind passgenau und die Bestellung wurde extrem schnell bearbeitet.

 

Etwas schwieriger wird die Sache bei diversen Gummiteilen. Außer den Antriebsriemen die sich in Form einer schmierigen, teerartigen Masse an vielen Stellen des Gerätes wiederfanden sind nämlich auch andere Teile zu ersetzen für die sich nicht auf die Schnelle Anbieter finden.

 

Die Andruckrolle, ja bei dieser Laufwerkskonstruktion gibt es nur eine... also kein Plural, war bei beiden Geräten in einem erstaunlich guten und nutzbaren Zustand. Hebt sich also positiv ab im Gummi-Sumpf.

 

Auf diesem Bild kann man ebenfalls eine der „Gummi-Katastrophen“ sehen. Über dem Idler befindet sich auf einer 2mm-Achse ein „Gummi-Pömpel“ mit einem Außendurchmesser von 4mm der bei mir in beiden Fällen ersetzt werden muss. Einmal total schmierig, einmal in Einzelteile zerfallen.

 

In der Bucht gibt es einen Anbieter aus Amerika der 2Stück dieser Teile inkl. Versandkosten um 30Euro anbietet. Der Preis verbunden mit der Wartezeit hat mich dazu gebracht ein wenig zu experimentieren. Ich habe mir einen Meter Gummidichtung mit einem passenden Außendurchmesser besorgt die man sogar in verschiedenen Härtegraden bekommen konnte. Fehlte noch die Innenbohrung um das Ganze auf der Achse montieren zu können.

 

Kleine Hilfsvorrichtung für die Drehbank angefertigt... in diese wird die Dichtung stramm und genau zentriert eingeschoben, die Dichtung habe ich vorher ein paar Tage ins Gefrierfach gelegt und noch eine Führung für den Bohrer mit eingespannt. Funktioniert sehr gut...

 

Ist schon schön mittig und dann auf der Drehbank noch mal auf der Achse angeschliffen... sicher nicht ungenauer als der Original-Pömpel.

 

Trotzdem werde ich auch die Dichtung noch einmal per flüssigem Stickstoff „cryogenisieren“... das ist ja in High-Ender-Kreisen sehr beliebt. Abgesehen davon, dass ich sehen möchte ob sich die Dichtung dann besser oder schlechter bearbeiten läßt (vielleicht sogar ganz zerfällt)... vielleicht klingt das Tape dann besser;-).

 

(Ich hatte hier auch Versuche mit einem Messing-Pulley anstatt der Gummi-Pömpel gemacht. Ich werde in einem Gerät Messing und in einem Gummi verwenden und dann schauen... „funktionieren“ tut selbstverständlich auch Messing... AIWAs Entwickler werden sich beim Einsatz von Gummi etwas gedacht haben...)

 

Das Idler-Wheel hab ich mal genau vermessen und werde mir Gedanken machen ob ich was neu anfertige oder ob eventuell ein noch erhältliches nutzbar gemacht werden kann. Vorerst ist es nach einer Auffrischung und Anschliff noch zu gebrauchen. Langfristig aber...

 

Soweit mal für den Moment... wenn ich wieder etwas mehr Zeit habe wird hier vervollständigt.... zerlegen kann ja jeder... soll ja auch zeigen dass es hinterher funktioniert ;-)!

 

Soo... ein wenig weiter bin ich auch.

 

Das Gerät mit dem „Messing-Antrieb“ läuft. Und zwar sehr sehr ordentlich.

 

Die Wiedergabe über Kopfhörer macht richtig Spaß... keine „gehörten“ Gleichlaufschwankungen, gemessen wird natürlich auch noch. Noch gibt es ein paar Probleme mit dem Spulen... der Sache werde ich noch auf den Grund gehen... es ist davon auszugehen, dass es sich wahrscheinlich um eine mechanische „Kleinigkeit“ handelt. Beim Zusammensetzen gibt es doch so einige Problemstellen zu beachten bei denen die Schwierigkeit darin besteht, dass man Funktion und Zusammenwirken erst nach kompletter Montage testen kann... und über die schwierige Montage gab es ja schon zu lesen... die Vorstellung diesen Vorgang noch einige Male wiederholen zu dürfen macht mir etwas Angst;-).

 

Zunächst bin ich über den ersten klanglichen Auftritt doch sehr positiv erstaunt... da wird die Spaßfaktor-Latte ziemlich hoch gelegt. Mehr und vergleichend dazu dann nach Langzeit-Tests mehr.

 

Zu diesem Spaß gehört selbstverständlich auch der optische Eindruck. Da darf man auf keinen Fall vergessen die sensationellen Aussteuerungs-Instrumente zu erwähnen.

 

Diese weisen ein paar Besonderheiten auf, die von AIWA natürlich auch gerne in diversen Broschüren und Prospekten hervorgehoben werden.

 

Auffallendes Merkmal: zwei Zeiger pro Instrument, es werden simultan VU und Peak angezeigt, dabei sind die roten Zeiger für die Peak-Abteilung mit einer Ansprechzeit von 0,01 Sek. wohl auch noch ganz schön flott unterwegs. Wem das „Doppel-Gezappel“ zuviel ist, der kann natürlich per Schalter die Sache auch auf Einzel-Anzeige umschalten.

 

Die Anzeigegeräte dienen auch noch zur Unterstützung bei der korrekten BIAS-Einstellung. Hier wird nicht unkontrolliert an irgendwelchen nach außen verlegten Reglern gedreht... nein. Beim F.R.T.S (Flat Response Tuning System) genannten Gimmick werden, kurz gesagt, unterschiedliche Test-Signale  (400Hz und 8kHz) auf linkes und rechtes Anzeigegerät ausgegeben nachdem man für die entsprechende Bandsorte alle notwendigen Einstellungen vorgewählt hat. Bei Übereinstimmung der Pegel ist alles OK, ansonsten wird der BIAS-Regler entsprechend korrigiert.

 

Ich könnte diesen Instrumenten stundenlang zuschauen...

 

Nun geht es noch daran den Fehler beim Spulen zu lokalisieren!

 

Dritter und letzter Teil...

 

die Probleme beim Spulen sind behoben. Verantwortlich war der zweite (kleinere) Hubmagnet. Der sorgt beim Spulen dafür das Idler-Wheel in Position zu bringen. Das konnte ich mir am mittlerweile ausgebauten Laufwerk des zweiten AD6900 zusammenreimen. 

 

Hier rechts ist der Kamerad...

 

Über das hier horizontal verlaufende Gestänge wird entsprechender Hub ausgeübt. Nun war das bei mir also nicht der Fall... zumindest nicht in ausreichender "Menge".

 

Im eingebauten Zustand ist da allerdings kaum ranzukommen... schon garnicht so um einigermaßen vernünftig arbeiten zu können. Den Aufwand zum Ausbau hatten wir besprochen. Schätze ich selbst bei Kenntnis des Vorgangs und disziplinierter Vorgehensweise auf sicher 2 Stunden. Nervt!!!

 

Da Faulheit manchmal siegt habe ich eine "Revisionsöffnung" in der Bodenplatte an entsprechender Stelle per Dremel eingefügt. OK... das ist nicht die feinste Art. Im Grunde wurde aber das Gerät nur auf "Service-Freundlichkeit" optimiert!

 

Hier war es dann wirklich nur etwas reinigen, ölen und ein paar Mal probieren. Erledigt.

 

Das Teil läuft jetzt seit Stunden im Dauerbetrieb unter Nutzung sämtlicher Funktionen.

 

Auch Aufnahmen unter Anwendung des FRTS... Respekt... das ist sehr ordentlich. Bei den bisher genutzten Cassetten haben sich BASF Chrome Super als gut kompatibel herausgestellt. Damit gelangen die besten Aufnahmen. Die mit dem AIWA aufgenommenen Cassetten sind auf den Nakamichis gut nutzbar... umgekehrt gefällt mir das nicht so gut. Darüber kann man ja recht oft lesen... ich werde in den nächstenTagen mal schauen wie es sich mit Kauf-Cassetten verhält.

 

Es ist fast ein bisschen schade, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist, zu überlegen ist ob ich das zweite Gerät ebenfalls mit diesem Aufwand reaktiviere oder als Ersatzteil-Depot nutze.

 

Abgesehen von den servicetechnischen Unzulänglichkeiten war zur Zeit der Entwicklung solcher Cassettendecks so etwas wie ein Rotstift anscheinend noch unbekannt. Nur Panzer sind stabiler gebaut und auch der technische Aufwand war nicht ohne. Insofern hat sich für mich persönlich der Zeitaufwand auf jeden Fall gelohnt.

 

Noch ein paar Eindrücke vom Komplettgerät da bisher ja meist Fragmente zu sehen waren...